Tinnitus

Davon gehört haben die meisten. Wie es sich anhört und was es mit den Betroffenen macht, ist weniger bekannt. So können Ohrgeräusche, obwohl sie an sich keine ernste gesundheitliche Gefahr darstellen, die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Nicht umsonst ist bei Tinnitus auch vom „Terroristen im Ohr“ die Rede. Lesen Sie, wie sich der ungebetene akustische Begleiter wieder weitgehend zum Schweigen bringen lässt.

Was ist Tinnitus eigentlich?

Als Tinnitus aurium, Klingeln der Ohren, bezeichnet die Medizin „die anhaltende oder wiederkehrende subjektive Wahrnehmung von Geräuschen ohne einen real existierenden akustischen Reiz aus der Umwelt“. Die Palette dessen, was typischerweise nur die Betroffenen hören können, ist breit und beschränkt sich nicht nur auf „Klingeln“: Von hohem Pfeifen und Piepen über tiefes Rauschen, Summen oder Brummen zu Rattern oder Zischen ist alles dabei. Diese Geräusche können variieren, lauter und leiser werden sowie in einem oder beiden Ohren auftreten. Also keineswegs eintönig, so ein Tinnitus.



Welche Folgen kann Tinnitus haben?

Zu den Ohrgeräuschen gesellt sich vielfach eine übermäßige Empfindlichkeit gegenüber real existenten Geräuschen, medizinisch Hyperakusis genannt. Häufig kommt es auch zu Konzentrationsschwierigkeiten sowie Ein- und Durchschlafstörungen – schließlich sind die Geräusche im Ohr in der Stille der Nacht besonders deutlich wahrzunehmen. Schmerzhafte Muskelverspannungen im Bereich der Halswirbelsäule und zwischen den Schulterblättern sind weitere mögliche Beschwerden.

Tinnitus kann die Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit deutlich herabsetzen, was sich oftmals nachteilig auf das Privat- und Berufsleben auswirkt. Rund zehn Prozent der Betroffenen leiden so sehr unter ihren Ohrgeräuschen, dass sich bei ihnen Depressionen oder Angstzustände einstellen.



Worin unterscheidet sich akuter und ein chronischer Tinnitus?

Bei einem akuten Tinnitus liegt das erste Auftreten der Beschwerden weniger als drei Monate zurück. Halten die Geräusche im Ohr länger an, spricht man von einem chronischen Tinnitus. Darüber hinaus wird zwischen einer objektiven und subjektiven Form unterschieden. Der objektiven liegt eine reale und messbare physikalische Schallquelle in der Nähe von Innenohr und Trommelfell zugrunde. Bei der wesentlich häufigeren subjektiven Ausprägung fehlt diese körperliche Schallquelle. Was die Patienten wahrnehmen, sind Phantomgeräusche, die nicht existent sind: Folge einer fehlgeleiteten Informationsverarbeitung im Ohr.



Was fehlt dem Körper bei Tinnitus?

Wie Tinnitus genau entsteht, ist noch nicht geklärt. Die Ohrgeräusche werden als Symptom gewertet, das mit vielen verschiedenen Erkrankungen einhergehen kann.

Für den objektiven Tinnitus können Verengungen der Blutgefäße oder Muskelzuckungen im Bereich der Ohren, Blutarmut oder gutartige Tumore an der Kopfschlagader verantwortlich sein. Bei der subjektiven Form sind die möglichen Ursachen wesentlich weiter gefächert. So kann diese bei Ohrerkrankungen wie Entzündungen des Mittel- oder Innenohrs, Defekt des Trommelfells, Durchblutungsstörungen im Innenohr oder einem durch Fremdkörper oder Ohrenschmalz verstopfen Gehörgang auftreten. Häufige Ursachen sind ferner Hörsturz und akustische Traumata, etwa durch eine Explosion oder dauerhafte Lärmüberbelastung sowie Morbus Menière, ein anfallartiger Drehschwindel. Auch einige Arzneimittel können Tinnitus bewirken; unter anderem Diuretika und hochdosierte Acetylsalicylsäure.



„Zu viel um die Ohren“

Diese bekannte Redewendung hat bei Tinnitus eine ursächliche Berechtigung: Dauerhafter Stress setzt auch das Hörsystem unter Druck und kann zu Ohrgeräuschen führen. Wie enorm stressanfällig das Innenohr ist, haben Untersuchungen belegt. Das bei Stress vermehrt ausgeschüttete Hormon Kortisol kann die Hörsinneszellen und Nervenzellen im Ohr schädigen. Dies beeinträchtigt die Filterfunktion des Hörsystems, wodurch das Gehirn eigentlich zu löschende Störgeräusche als wichtige Signale wahrnimmt und abspeichert. So werden sie wie Selbstläufer reproduziert und nicht mehr vergessen.



Was hilft gegen Ohrgeräusche?

Akutbehandlung: Hier ist rasches Handeln geboten. Spätestens wenn das Getöse und Rauschen im Ohr länger als zwei Tage anhält, ist der Weg in die HNO-Arztpraxis angezeigt. Durch Untersuchungen, vor allem einem Hörtest, lassen sich die Beschwerden genau diagnostizieren und eine passende Tinnitus-Behandlung einleiten.

Beim akuten Tinnitus liegt der Fokus auf der ursächlichen Grunderkrankung. Ist sie wie eine Mittelohrentzündung bakteriell ausgelöst, kommen Antibiotika zum Einsatz. Bei einem Hörsturz, etwa im Zuge eines Morbus Menière, und Lärmschädigungen sowie bei ungeklärten Ursachen werden meist Infusionen mit Kortison verabreicht.

 

Bei der chronischen Ausprägung: Nun geht es darum, die Beschwerden möglichst gut zu kompensieren und die Lebensqualität zu verbessern. Basis ist eine tiefgehende Aufklärung und Beratung im Zuge des sogenannten Tinnitus-Counseling. Je nachdem, wie stark der Leidensdruck ist, kommen verschiedene psycho- und hörtherapeutische Verfahren zum Einsatz. Nachweislich bewährt beim dauerhaften Tinnitus ist die so genannte Retraining-Therapie. Dabei bewirken Techniken aus der psychologischen kognitiven Verhaltenstherapie ein Umlernen auf der gedanklichen, emotionalen und körperlichen Ebene: Durch Korrektur und Ablehnung negativer Denkmuster gelingt es den Betroffenen, besser mit den Ohrgeräuschen und dem damit verbundenen Stress umzugehen. Mitunter gelingt es sogar, dass der Krach im Ohr für immer verschwindet. 



Diese Methoden lindern Tinnitus

  • Zu den hörtherapeutischen Maßnahmen gehören Noiser und Masker. Tinnitus-Noiser erzeugen ein leises gleichmäßiges Rauschen im Ohr, mit dessen Hilfe das Gehirn gewissermaßen abgelenkt wird: Es ordnet dieses Geräusch nach einer Weile als irrelevant ein, wodurch der ursprüngliche Tinnitus weniger oder kaum noch wahrgenommen wird. Die Tinnitus-Masker übertönen die Geräusche im Ohr. Solcherart maskiert minimiert sich der Störpegel der lästigen anderen Ohrgeräusche. Bei Tinnitus mit Schwerhörigkeit oder Hörverlust sind Hörgeräte angezeigt.
  • Als hilfreich bei dauerhaft bestehenden Ohrgeräuschen hat sich zudem die Musiktherapie erwiesen. Dabei wird das Gehör der Betroffenen mit vertrauten und angenehmen Klängen und Melodien neu- und umgeschult.
  • Entspannungsmethoden spielen bei Tinnitus eine wichtige therapeutische Rolle. Denn sie helfen dabei, die lästigen Geräusche vorübergehend in den Hintergrund treten zu lassen. Empfehlenswert sind Yoga, Tai Chi und Autogenes Training sowie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen.


Was sollte man bei Tinnitus vermeiden?

Angesichts des anhaltenden Rauschen im Ohr ziehen sich viele in eine ruhige Umgebung zurück – nur naheliegend, jedoch keine gute Idee. Denn Stille erhöht die Fokussierung auf die Ohrgeräusche und bewirkt somit, dass sich diese noch weiter verschlimmern.



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